Archiv für November 2008



Reisende besuchen betterplace Projekte

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Volunteer Partnerships for West Africa (VPWA), das betterplace Projekt, welches Dr. Henning Pentzlin besuchte

Die Idee des Web of Trust ist es, dass möglichst viele Menschen, die mit einem Projekt in Berührung kommen, bzw. die Projektverantwortliche kennen, mit ihren Aussagen Gehör finden – um Vertrauen für das Projekt und die Organisation werben, oder diese auch kritisch hinterfragen. Deshalb finde ich es grandios, dass neben den Netzwerken, die Projekte von sich aus mitbringen, auch immer mehr unabhängige Besucher sich Projekte vor Ort ansehen und diese beschreiben.

In der letzten Woche habe ich gleich von zwei neuen Besuchern erfahren: von Gordon Friebe, der mit seinem Motorrad von Marokko bis nach Kapstadt unterwegs ist und in einem kleinen Dorf im Senegal Halt gemacht hat. Und von Henning und Lena Pentzlin mit ihren Kindern Pia, Paula und Pura, die in Ghana Urlaub machten und in Accra eine Schule besuchten

Beide beschrieben die Projektbesuche im Senegal und in Ghana als eine Möglichkeit, die bereisten Länder auf eine andere, wesentlich direktere und persönlichere Art kennenzulernen. Auf diese Weise haben sowohl Projektverantwortliche als auch Touristen etwas voneinander: erstere bekommen neue, finanzielle Unterstützung und weitere Mitglieder im Web of Trust. Von diesen Vor-Ort Besuchern bekommen sie im Zweifel auch mehr Verständnis für ihre oft widrigen, ressourcenarmen Lebensbedingungen, als von Spendern, die nur mit den traurigen Kinderaugen auf Werbebroschüren konfrontiert sind und oft ein sehr klischeehaftes Bild vom Leben armer Menschen haben. Die Touristen wiederum haben die Chance fremde Kulturen auf eine wesentlich direktere und intensivere Weise kennenzulernen, als beim Folkloreabend in der Hotellobby.

Übrigens geben wir bei betterplace auch gerne Tipps für Projektbesuche. Reiserouten sind meine persönliche Leidenschaft. Und ich teile auch gern die Spielregeln, die es bei solchen Besuchen zu beachten gilt.

Rezession als Chance

Jetzt ist es offiziell: Deutschland ist in einer Rezession. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden heute mitteilte, schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal dieses Jahres um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Von allen Seiten hört man, wie sich die Finanzkrise negativ auf alle Sektoren auswirkt: nicht nur amerikanische Kulturinstitutionen fürchten um ihr Überleben, verdanken sie doch ihr Funding zu einem großen Teil einst erfolgreichen und nun bankrotten Wall Street Firmen. Brigitte Reiser in Non-Profit-Vernetzt beschreibt einige der zu erwartenden Folgen für den gemeinnützigen Sektor in Deutschland. 

Nun ist es zwar ein Allgemeinplatz, dass Krisen auch Chancen bieten, aber genau das war eine der Botschaften des Vision Summit, der Anfang November unter starker Beteiligung von betterplace in Berlin stattfand und um die 1000 Menschen an die FU zusammen führte. 

Peter Spiegel, Gründer des Genisis Instituts, vertrat die These, dass gerade Social Business einen entscheidenden Ausweg aus der gegenwärtigen Weltfinanzkrise darstellen kann. Er sprach von einem notwendigen Paradigmenwechsel von rein Gewinnmaximierung interessierten Unternehmen, hin zu Unternehmen, die sich die Lösung von gesellschaftlichen Problemen zur Aufgabe gemacht haben.

Sozialbörsen

Für betterplace war in diesem Zusammenhang die Diskussion über Sozialbörsen besonders interessant. Maritta Koch-Weser brachte uns mit Celso Grecco, dem Pionier der Sao Paolo Social Stock Exchange zusammen und mein Mann, Stephan Breidenbach (der nicht nur betterplace, sondern auch das Genisis Institut mitgegründet hat), hatte die Chance im kleinen Kreis mit Muhammed Yunus, Grecco, Peter Spiegel und Maritta Koch-Weser die Idee eines weltweiten Verbunds von Sozialbörsen zu diskutieren. Bei einem Treffen in der gleichen Woche, u. a. mit Susanna Krüger von good root wurde ein konkreter Prozess aufgesetzt, wie betterplace sich an einer solchen Sozialbörse beteiligen kann. 

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Till – Ashoka Fellow 2008

Dass Till toll ist, wissen wir bei betterplace seit langem. Aber jetzt ist es auch noch offiziell! Denn Till hat sich in einem fast einjährigen, mehrstufigen, nationalen und internationalen Auswahlprozess unter rund deutschen 300 Mitbewerbern als Ashoka Fellow qualifiziert. Till, wir gratulieren Dir!

Die neuen Fellows erhalten von Ashoka je nach Bedarf finanzielle Unterstützung, Beratung und Verbindungen zu Wirtschaft und Wissenschaft, damit sie ihre Ideen deutschlandweit und international verbreiten können.

Hier steht, was Ashoka an Till und betterplace gefallen hat:

Social Entrepreneur Till Behnke

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Till Behnke baut einen neuartigen online-Philanthropie-Marktplatz auf, der die Beziehung zwischen Geber und Nehmer revolutioniert: Seine Internetplattform betterplace.org ermöglicht es kleinen sozialen Organisationen, ihre Projekte bekannt zu machen, indem sie unabhängig von ihrer Größe durch Qualität überzeugen können. Auf der anderen Seite hilft es Kleinspendern, ihr Geld strategisch zu vergeben. Was daran neu ist? Die Webseite kombiniert Rating-Systeme mit sozialen Netzwerken und sorgt so für radikale Transparenz. Soziale Organisationen können ihr Profil einstellen, werden aber von Usern bewertet. Der Clou dabei: Jeder Nutzer kann sehen, in welchem Verhältnis ein Bewerter zur Organisation steht, ob es sich beispielsweise um wissenschaftliche Experten, Empfänger oder Geldgeber handelt. Er kann auch sehen, ob der Bewerter Kontakt zum eigenen Netzwerk hat. Auf Basis dieser Information kann er entscheiden, ob er dem Urteil des Bewerters traut und die Organisation per Spende unterstützt oder nicht. So macht betterplace kundiges, transparentes Spenden auch im kleinen Rahmen möglich. Gleichzeitig erhalten Organisationen die Chance und die Verantwortung, aktiv um Unterstützung zu werben. Ende 2007 gegründet, baut Till Behnke betterplace Schritt für Schritt aus, gewinnt internationale Bekanntheit und bietet inzwischen auch Unternehmen professionelle Mitarbeiterbeteiligungsmöglichkeiten an.

Netzwerk und Hierarchie
Über eines freue ich mich besonders: Dass die Juroren nämlich den Kick erkannt haben, der in unserer Netzwerkstruktur und dem Web of Trust liegt. Wir sind eine offene Plattform – und können als solche nicht nur den großen Hilfsorganisationen eine Plattform bieten, sondern auch dem großen „long tail of charity“. Zugleich erweitert das Web of Trust bislang dominante hierarchische Vertrauens- und Kontrollmechanismen um Netzwerkmechanismen.

Was meine ich damit?

Nun, manche Menschen vertrauen Projekten, die von großen, bekannten Institutionen geführt werden, sei es nun Unicef oder Greenpeace. Sie vertrauen darauf, dass diese Institutionen die z.B. dem deutschen Finanzamt Rechenschaft über ihre Bilanzen leisten müssen, die Gelder sinnvoll verwenden. Andere haben das Vertrauen in diese hierarchischen Akteure verloren und unterstützen lieber solche Organisationen oder Einzelpersonen, die mit ihren Netzwerken um Unterstützung werben.

Beispielsweise spende ich gerne auf Projekte, die von jemandem unterstützt werden, der das Projekt selbst kennt und sich dort engagiert. Ich war in Bhutan und habe mehrere Tage in der Choki Traditional Arts School verbracht. Seit drei Jahren beobachte ich aus der Ferne die Arbeit der Projektverantwortlichen Sonam Choki. Sie berichtet mir von ihrer Arbeit. Ich lerne andere Menschen kennen, die das Projekt seit langem unterstützen, es vor Ort besuchen und auf betterplace erzählen, welche Fortschritte es macht. Dann erzähle ich meinen Freundinnen von diesem Projekt und wenn meine Freudinnen mir vertrauen, werden sie im Zweifel auch Sonam Choki vertrauen und auf ihr Projekt spenden. Im Idealfall pflanzt sich dieses Vertrauen schneeballartig fort.

Beide Vertrauensformen schließen sich natürlich nicht aus; Im Idealfall ergänzen sie sich sogar. Eine professionelle Organisation wie Weg der Mitte in Berlin wirbt mit seinem – in der Region – guten Namen und der Tatsache, dass sie ein vom deutschen Finanzamt anerkannter, gemeinnütziger Verein sind. Darüber hinaus aktiviert es seine bisherigen Unterstützer und Kenner auf betterplace, Zeugnis über seine Arbeit für die Unterstützung junger Mütter abzulegen. So kommen Vertrauensmechanismen aus der hierarchischen Welt und aus der Netzwerkwelt zusammen.

Was, ihr kontrolliert die Projekte nicht!?
In den letzten Monaten sind wir immer wieder genau an diesem Punkt angegriffen worden: „Was, ihr kontrolliert die Projekte, die sich auf betterplace einstellen, nicht? Aber das öffnet doch Lug und Trug jede Tür!“ Dass auf sozialen Netzen und radikaler Transparenz basierende Mechanismen vielleicht den etablierten hierarchischen überlegen sind, bzw. sie auf jeden Fall sinnvoll ergänzen, hat uns Ashoka, DAS Netzwerk für soziale Innovation und Entrepreneurship, jetzt attestiert.

P.S. Und an dieser Stelle noch einen weiteren Glückwunsch an Michael Gleich, mit dem sich meine anthropologischen Wege in den letzten Jahren immer wieder gekreuzt haben, und der mit seine Initiativen peace counts und culture counts für einen konstruktiven Journalismus ebenfalls als Ashoka fellow ausgezeichnet wurde. Ich freue mich auf die Projekte deiner Friedensmacher auf betterplace, Michael!

Der Spendenkomplex, 2. Teil

Verkaufsschlager Patenschaften

Dem Verkaufsschlager „Patenschaften“ widmet Alexander Glücks Der Spendenkomplex. Das kalte Geschäft mit den heißen Gefühlen gleich mehrere Kapitel. Einerseits sind Patenschaften eine Gelddruckmaschine für die Organisationen, denn einmal eingegangen, trauen sich die wenigsten Spender „ihrem“ Patenkind zu kündigen, selbst wenn sie wissen, dass die monatliche Spende gar nicht dem Kind als solchem zu Gute kommt, sondern in einen großen Topf fließen, aus dem heraus das Gesamtprojekt mitsamt seinen vielfältigen Nebenkosten für Personal, Mieten, Logistik etc. finanziert wird.

Problematisch ist nicht nur, dass über diese Schiene Pädophile gerne Kontakt zu Kindern aufnehmen, sondern auch, die vermeintlich benevolente Motivation solcher Eltern, die Patenschaften in erster Linie als Anschauungsobjekt für die eigenen Wohlstandskinder übernehmen. Glück zitiert Eltern mit den Worten, sie wollten „unseren beiden Mädchen vor Augen führen, was für ein angenehmes Leben ihnen der geographische Vorteil beschert hat.“ Hier werden wieder völlig stereotype Bilder vom Leben in Entwicklungsländern zementiert, die nur das Überlegenheitsgefühl des Westens und damit die indirekte Verachtung des Fremden stärken.

Glück berichtet von Organisationen, die Spender voneinander abschirmen um Patenkinder mehrfach zu vermitteln. Andere meinen ihre lokalen Partnerorganisationen besonders kontrollieren und erziehen zu müssen, z.B. indem sie darauf drängen, lokale kulturelle Praktiken, die mit ihrem christlich geprägten Wertekanon nicht übereinstimmen, zu verbieten.

Nun können Patenschaftsorganisationen ebenso wenig wie andere Hilfsorganisationen auch, über einen Kamm geschoren werden. Ohne die Effektivität der Arbeit von Plan International beurteilen zu können, empfinde ich beispielsweise die Informationen, die ich über die Lebensverhältnisse und die Kultur meiner bislang zwei Patenkinder erhalte, als differenziert und respektvoll. Ebenso habe ich – z.B. in Äthiopien – Paten erlebt, die ihre Patenkindern jedes Jahr besuchten und zu ihnen nachhaltige Beziehungen auf Augenhöhe aufgebaut hatten.

Was hingegen auch mir verallgemeinerbar erscheint, ist Glücks Vorwurf, dass alle Hilfsorganisationen die „Unordnung des realen Lebens“ in ihren Darstellungen ausblenden und die ihrer Arbeit innewohnenden Widersprüche, Rückschläge und Dilemmata verstecken.

Patenbriefe in Serienproduktion
Kleines Beispiel: die Dankesbriefe der Patenkinder an ihre Paten.

Jeder Pate erhält von seinem Patenkind in der Regel mehrmals jährlich einen handgeschriebenen und von einem Plan Mitarbeiter übersetzten Dankesbrief. Die Briefe bilden die Nabelschnur zwischen Paten und Kind und sorgen beim Spender für den Wohlfühleffekt, der dazu führt, die Patenschaft auch im nächsten Jahr fortzusetzen.

Nun gibt es aber in vielen Gesellschaften außerhalb EuroAmerikas keine Kultur des expliziten Bedankens, so wie sie sich in Westeuropa herausgebildet hat. Also werden Patenbriefe meist in mechanischer Fließbandarbeit erstellt und „die Blümchen am Bildrand von einer Betreuerin dazu gemalt wurden, die vorher in einer Porzellanfabrik Geschirrteile dekoriert hat.“

Patenschaftsorganisationen schreiben es sich auf die Fahne, gegenseitigen Austausch zu ermöglichen. Ist es da zuviel verlangt, dass auch die Paten etwas über die kulturellen Standards der Beschenkten lernen, statt mit potemkinschen Dörfern konfrontiert zu werden? Aber wie man spätestens nach der Lektüre von Glücks Buch weiß, dreht sich die Arbeit vieler Organisationen sowieso mindestens ebenso um den Selbsterhalt, wie um die Beförderung effektiven sozialen Fortschritts.

Der Spendenkomplex, 1. Teil

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Der Spendenkomplex – Das kalte Geschäft mit den heißen Gefühlen – so der Titel des Buches von Alexander Glück, in dem er seine Erfahrungen im dritten Sektor kritisch zusammenfasst.

Mehr Selbstreflektion – bitte! Und zwar bei Spendern ebenso wie bei großen und kleinen Hilfsorganisationen. So könnte die das Buch durchziehende Grundthese lauten. 

Für das Gros der Spender zählt nur das gute Gefühl beim Spendenvorgang, der ihre Selbstachtung erhöht. Wirkung und Effekt der Spende werden selten kritisch hinterfragt.

Spenden an sich ist nicht unweigerlich gut
Dabei hätten Spender, so Glück, dazu einigen Anlass. Spenden an sich, so ein leicht nachzuvollziehendes Fazit der Studie, ist an sich nicht per se gut. Viel zu viel Geld geht in ineffektive Organisationen, die ihren Satzungszielen nicht gerecht werden. Oftmals verhindern Spendengelder auch den eigentlich nötigen strukturellen Wandel, da sie wie ein Heftpflaster wirken, anstatt die darunter liegende Wunde nachhaltig zu heilen (so z.B. indem sie kurzfristig die negativen Effekte des massiv ungleichgewichtigen Welthandelssystems lindern, statt an seiner Umstrukturierung zu arbeiten).

Den Hilfsorganisationen steht viel Geld zur Verfügung: Glück geht von 2,5 Milliarden Privatspenden in Deutschland aus. Dazu kommt noch mal der Etat des BMBZ (Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit), der 2007 bei 4,5 Millionen lag und zu 1/3 in Großorganisationen wie UNICEF, zu 1/8 in kleinere NGOs floß. 

Ein erheblicher Anteil dieser Gelder wird für „Werbung und Verwaltung,“ verwendet; für Büromieten und Honorare von Werbefirmen, für Druckaufträge, Portokosten und die Gehälter der Fundraiser und Mitarbeiter.

Die Kluft zwischen öffentlicher Wahrnehmung und Realität
Natürlich müssen NGOs genauso professionell arbeiten und marktadäquate Gehälter zahlen können, wie profitorientierte Unternehmen. Ein Problem liegt jedoch in der oft großen Diskrepanz von öffentlicher Wahrnehmung und realen Verhältnissen.

Die meisten Spender nehmen an, dass ein Großteil ihrer Spende beim Nutznießer ankommt und nicht von Verwaltungsgebühren aufgefressen wird. Gerade in Deutschland gehen viele davon aus, dass im non-profit Sektor lauter ehrenamtlich arbeitende Gutmenschen arbeiten. Doch dem ist nicht (nur) so. 

Wer weiß, dass man in Deutschland schon dann als gemeinnützig gilt, wenn 50% der Gelder in gemeinnützige Zwecke fließen? Und das alle die Organisationen das Spendensiegel des DZI erhalten, die bis zu 35% ihrer Einnahmen für Werbung und Verwaltung ausgeben?

Wieviele Spender würden wohl noch der Mitgliedschaft bei einer Organisation zustimmen, wenn sie wüssten, dass nicht selten der gesamte erste Jahresbetrag an die Werber geht? 

Konkurrenzkampf unter den Organisationen
Den Vorwurf, den Glück vielen Organisationen macht, ist, dass sie ihre:

 „Hauptenergien nicht auf die Straffung des Verwaltungsapparats, die künftige Entbehrlichkeit der Hilfsarbeit oder andere Möglichkeiten zur Kostendämpfung legt …, sondern ganz überwiegend auf die Erschließung neuer und immer neuer Geldströme und die Pflege der bereits vorhandenen.“

Die Hilfsindustrie wächst schneller als das Spendenaufkommen und folglich führt der Konkurrenzkampf um Spender und Gelder dazu, dass immer mehr Geld für Fundraising verwendet wird: Gaben im Jahre 2000 die vom DZI zertifizierten Organisationen im Durchschnitt nur 9,1% für Fundraising aus, so sind es mittlerweile 16%.

Mit Slogans wie „Jeder Euro hilft“ kaschieren viele Organisationen diese Kosten. Nur wenige legen, wie z.B. die Welthungerhilfe, ihre Geschäfts- und Finanzberichte im Netz offen.

Weinende Kinder. Misshandelte Tiere
Der Spendenkomplex prangert aber auch an, dass viele soziale Initiativen ihre Spender massiv manipulieren. Werbebriefe – das erfolgreichste Spendeneintreib-Mittel – sprechen die Gefühle des Spenders mit gefühlsduseligen Bildern – weinende Kinderaugen und misshandelte Tieren – an. Die Darstellung fremder Lebenswelten verkommt zum Klischee. „An die Stelle des Mitgefühls tritt ein Surrogat aus Fakten, Propaganda und Gefühlsansprache.“ Daraus resultiert zum einen, dass die eigentlichen Ursachen der Lebensverhältnisse – die wir vielleicht ändern können – verschleiert werden. Diese Darstellung zementiert das stereotype Bild einer zweigeteilten Welt: Da ist auf der einen Seite der Westen – wohlhabend, aktiv, zupackend – und da ist der bemittleidenswerte Rest der Welt – passiv und arm.

Doch diese Sicht ist nicht nur grundlegend falsch – zahlreiche Grassroots Initiativen weltweit bezeugen, wie viele Menschen in ihren eigenen Gesellschaften versuchen Armut und soziale Missstände zu bekämpfen und dabei oft wesentlich effektiver sind als die fremden Helfer von außen. Sie führt auch oft dazu, dass weiße Helfer in Ländern des Südens als unerträgliche Bevormunder auftreten, die meinen, afrikanische Partnerorganisationen mit ihren eigenen Kommunikations- und Arbeitsmaßstäben belehren und disziplinieren zu müssen. 

Wir im Westen nehmen uns das Recht heraus die Schicksalsgeschichten anderer Menschen, die nicht die gleiche Möglichkeit haben, sich darzustellen, weltweit zu präsentieren. Rumänische Heimkinder, in deren Namen Gelder gesammelt werden, haben keine Stimme. „Die Initiativen besitzen die von ihnen versorgten Schicksale und vermieten die an Paten,“ so die pointierte Aussage des Autors.

Das Engagement vieler kleiner Vereine betrachtet Glück differenziert. Einige von ihnen engagieren sich auf bewundernswert patente und transparente Weise. Ein Positivbeipiel, welches der Autor anführt, ist das auch auf betterplace erfolgreich Spenden einsammelnde Emukhunzulu Education Centre, das konkrete Antworten darauf liefert, was passiert, wenn die Spende das Portemonnaie verlassen hat.

Bei vielen anderen jedoch meint Glück eine stattliche Anzahl psychisch schwerkranker, vereinsamter Menschen entdeckt zu haben, die durch ihre aufopfernde Hilfe für andere versuchen ihr eigenes Leben aufzuwerten und deren Arbeit in den seltensten Fällen effektiv ist. Mit dieser speziellen, im not for profit Sektor durchaus verbreiteten Persönlichkeitsstruktur hängt es wohl auch zusammen, dass wenige Branchen so untereinander verstritten sind wie die der vermeintlichen Gutmenschen.

Teil 2 folgt.