re:publica 08 – vom vergessen und erinnern

Die 3 Top Themen der re:publica 08 waren laut Organisator Markus Beckedahl (hier gibt’s das Interview mit ihm und anderen von Bloggerin Schnutinger): 1) Datenschutz, gepaart mit mehr Medienkompetenz 2) Soziale Medien in ihrer ganzen Vielfalt und 3) Die Frage, was öffentlich-rechtlich ist im digitalen Zeitalter.

Um das Ende mal vorweg zu nehmen: Es waren sehr lehrreiche und, wie Annika am Freitag bereits schrieb, inspirierende Tage. Ich kann nur von mir sprechen, aber viel davon war Entmystifizierung. Nach einem furiosen Auftakt von Harvard-Professor Viktor Mayer-Schönberger, der ein Plädoyer für die Notwendigkeit des Vergessens hielt und sich im Zuge dessen für ein digitales Haltbarkeitsdatum ausspricht, ging es steil bergab. ‚Die Zukunft der Social Networks‘ ist finster, wenn man das erste Panel der Konferenz als Omen für die Zukunft von StudiVZ, MySpace & Co sehen will. Der Untertitel der Veranstaltung ‚Geschlossene Türen oder offene Fenster‘ war ja vielleicht ironisch gemeint, denn da saßen die üblichen Verdächtigen in ihrem eigenen Mief und diskutierten über alte Hüte. „Nein, also das machen wir natürlich nicht, da kämen wir ja mit dem Gesetz in Konflikt.“ Ich hätte mir alle Anwesenden in Mayer-Schönbergers Vortrag über Erinnern und Vergessen im digitalen Zeitalter gewünscht und, anstatt sich anhören zu müssen, wie sich Schuld gegenseitig zu-, und dann entschieden von sich gewiesen wird, lieber die Verantwortlichen der einschlägigen Social Networks zum Thema Infomationsökologie gehört.

Die Qualitätsdebatte. Journalisten vs. Blogger. Hmpf. Gut, aber Johnny Häusler von Spreeblick, der als Moderator des Panels mutig in die Bresche gesprungen war, hatte schon recht, als er meinte, das (leidige) Thema dürfe nicht fehlen. Schade nur, dass von der Journalistenfront zwar einige geladen, aber keiner gekommen war. Journalist und Blogger Thomas Knüwer (in No Porno Please! vom Samstag, dem Day After der Konferenz also, lässt er tief blicken), Bild-Blogger und Journalist Stefan Niggemeier und Mercedes Bunz (derzeit Chefredakteurin bei Tagesspiegel Online), die dann auf dem Panel saßen, sind ja sozusagen Zwitterwesen. Haben sich aber redlich um einen Diskurs bemüht. Inhaltlich kam nicht viel Neues bei rum, aber der Unterhaltungswert war hoch und die Panelteilnehmer fast schon zu sympathisch. Jetzt mal unter uns: Mercedes hat nebenbei den Sex-Appeal der Konferenz dramatisch nach oben gerissen und den Jungs gezeigt, was ein verbaler Haken ist.

Fazzen oder bloggen – mehr zur Qualitätsdebatte gibt’s zum Beispiel auf Robert Basics Blog.

Zur Diskussion ‚Geld verdienen mit Blogs reloaded‘ möchte ich nur eins sagen: die „Größen“ Robert Basic, Sascha Lobo und Remo Uherek (der sich schweizerisch diplomatisch im Hintergrund gehalten hat, schade eigentlich!) scheinen sich gegenseitig zu neutralisieren. Viel war nicht geboten, außer Kraftmeierei und einer merkwürdigen Realness-Debatte. Das Thema sehe ich definitiv nochmal auf der Agenda der re:publica 09. Reloaded.

Nun zu den beiden Veranstaltungen, die für uns als betterplacianer besonders interessant waren: ‚Kampagnen und NGOs im Netz‘ und der Workshop ‚Greenpeace Internetstrategie‘. Womit wir wieder beim Entmystifizieren wären. Vielleicht habe ich eine verschobene Wahrnehmung, aber auch hier kam für mich zu wenig rüber (außer der Erkenntnis, dass wir alle nur mit Wasser kochen). Wenn der PR-Chef und Campaigning-Mann von Greenpeace, Volker Gassner, davon spricht, mittels der neuen Internetstrategie weg vom Monolog zu wollen, hin zu einer dialogischen Kommunikation, dann, naja, ist mir das ein bischen mager. Aber was soll das Meckern! Es geht, egal ob bei Gigant Greenpeace oder Baby betterplace, darum, einfach mal anzufangen, anstatt sich um den Verstand zu konzipieren. Dieses Fazit aus Gassners Vortrag habe ich mitgenommen. jetzt.de hat Gassner am Rande der Konferenz zur geplanten „Netzattacke“ befragt.

Hard Bloggin‘ Scientist Benedikt Köhler, der mit auf dem NGO-Panel saß, ging das Gerede von wegen „Wir haben ganz viele geile Kampagnen gemacht“ sichtlich auf die Nerven. Ist ja klar, dass hier zwei Welten aufeinander prallen – Benedikt & Co, die mit der Free Burma Blogaktion 2007 Massen bewegt und nebenbei bewiesen haben, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen offline und online Engagement gibt. Und auf der anderen Seite traditionelle NGOs, die ihre ganze Struktur erstmal mühevoll umwuchten müssen, um sich – für teures Geld – via Web 2.0 eine neue Möglichkeit der Aktivierung zu erschließen. In der Zwischenzeit sind in der Online-Welt die Grenzen zwischen reinem Aktivist und demjenigen, „der sich nur beteiligt“, längst verschwommen, wie Benedikt anmerkte.

Für eine ausführliche Besprechung und kritische Hinterfragung der beiden „Web 2.0 in an NGO world“-Veranstaltungen unbedingt Andreas Post auf Alles was gerecht ist lesen!

Markus Beckedahl und Johnny Häusler: Vielen Dank für den gigantischen Denkanstoß, den Ihr uns mit der re:publica verpasst habt!

Wir sehen uns auf der re:publica 09. reloaded.

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